Cäcilia Brown
Foto: Johann Schoiswohl, 2017
Cäcilia Browns Arbeiten sind oftmals groß, sperrig und grob, gleichzeitig haben sie etwas Fragiles, Verletzliches. Sie beeindrucken durch ihre starke Präsenz, geprägt von den Materialien und deren Verbindung zueinander. Das wird zum Beispiel augenfällig, wenn riesige Dachbalken frei im Raum stehen, durch waagrechte Beton- oder Terrazzoplatten hindurchgesteckt sind und so gehalten werden. Bricolage als das spezifische ans Basteln angelehnte Collagieren meist gefundener Materialien ist ein wichtiges Prinzip ihrer Arbeit.
Lieber Nebel, Haltung bewahren & Lauter Spanner vorm Fenster, Musterfliese Mondgesicht, Baumhaus, 2019, Ausstellungsansicht Galerie Nicolas Krupp, Basel, 2019
Foto: Serge Hasenboehler
Nach 18 Jahren in Wien lebt Cäcilia Brown mittlerweile südlich von Wien. Besucht man sie im Atelier, muss man vom Bahnhof Bad Vöslau noch ca. 20 Minuten mit dem Auto Richtung Westen fahren (Busverbindung gibt es keine), dann kommt man in Schwarzensee zu einem Hof mit Tischler- und Bildhauerwerkstatt, die Wohnung wird erst fertiggestellt. Vor dem Atelier liegen riesige alte Lindenstämme aus dem Stift Heiligenkreuz, vermutlich aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts, die aus Sicherheitsgründen gefällt werden mussten: künstlerisches Material für die Zukunft. Auch finden sich hier Skizzen aus Untersberger Marmor auf Paletten, die während ihrer Lehrtätigkeit an der Internationalen Sommerakademie in den Jahren 2020/21 entstanden sind, ebenso wie Betonbruchstücke aus der Grazer Burg.
Geht man ins Atelier, betritt man einen hohen Raum mit einer Werkstatt auf zwei Ebenen – die dritte ist für den Sohn reserviert – verbunden durch Leitern. Im unteren Raum finden sich zum Beispiel zwei monumentale gründerzeitliche Franz-Joseph-Köpfe und größere Stücke eines alten Zementbodens aus der Grazer Burg, die darauf warten, als Ausgangsmaterial für eine installative Arbeit in einer Ausstellung ebendort gezeigt zu werden. Ursprünglich war Brown mit einer Fotodokumentation des Umbaus und der Renovierung beauftragt worden, sie konnte die Auftraggeber aber davon überzeugen, dass sie ihre Arbeit auf einer Materialsammlung während der Bauarbeiten aufbauen möchte. Browns Arbeit wird bei der Wiedereröffnung der Grazer Burg im Jänner 2026 gemeinsam mit den Fotodokumentationen von Tom Biela und Julia Gaisbacher gezeigt werden. Außerdem findet sich im Atel ierraum ein kleiner Brennofen, der für Ton und auch Email eingesetzt wird sowie Werkzeug, Steine, Ton, Arbeitskleidung für die Künstlerin und ihren Sohn, von dem sich immer wieder Spuren im Atelier finden. Zu sehen sind auch frisch in Kupfer gegossene Spitzen von den Holzstempen, die zur Konstruktion der Heumännchen dienen, die in der Gruppenausstellung Building < Against im WUK in Wien von Ende September bis Ende Oktober 2025 verwendet werden. Oben rechts findet sich eine Nachdenkecke mit Fotos, Rechnungen und Diagrammen an einer Pinnwand, Bücher, Schallplatten, Plattenspieler, Fauteuil …, im größeren Raumteil Couch, Teppich, Schreibtisch mit karierter Tischdecke, Computer, Mobiltelefon, Rechnungen und Kaffeekanne, ein weiterer Arbeitstisch, eine Fotoausrüstung, viel Leerraum. Auch wenn sich für die Betrachterin die Ordnung dahinter nicht wirklich erschließt, wirkt der Raum im oberen Teil wie ein Ort des intensiven und langen Nachdenkens und im unteren Teil und am Vorplatz als Ort fürs Experimentieren, der Auseinandersetzung mit verschiedenen Materialien und ihrer bildhauerischen Bearbeitung.
Der Altmieter, 2018, Ausstellungsansicht Es gibt Ecken aus denen kommt man nicht mehr raus, Galerie Senn, Wien 2018
Foto: Iris Ratzinger
Seit 2022 nun lebt Cäcilia Brown auf dem Land. Das Leben hier ist wesentlich weniger anonym als in der Stadt, gerade deswegen gibt es kaum zufällige Begegnungen. Alle Wege werden mit dem Auto zurückgelegt, unverbindliches Aufeinandertreffen wie in der Großstadt gibt es nicht. Beim Spazierengehen mit dem Kinderwagen lernte sie drei Jahre lang niemanden kennen. Eingekauft wird im Supermarkt im nächsten Dorf, Ab-Hof-Verkäufe gibt es nicht. Die Landschaft des Wienerwaldes wird für die Künstlerin erst sehr langsam lesbar, die in die Landschaft eingeschriebenen Machtgefüge sind für sie schwer zu entschlüsseln, anders als in der Stadt. Mittlerweile hat sich in der Umgebung des Lebensraums eine Quelle für gefällte uralte Bäume aufgetan, die noch auf ihre Verwendung warten. Derzeit arbeitet Brown auch an mehreren öffentlichen Kunstprojekten. Unter anderem wird sie große Emailschilder, Verkehrsanzeigen ähnlich, in Mauterndorf im Lungau m Rahmen von ÜbernTauern, kuratiert von Theo Deutinger für Kunst am Bau/Kunst im öffentlichen Raum Land Salzburg, in die Landschaft stellen. Ein Entwurf für eine permanente Skulptur für einen neuen Gemeindebau in Wien im 3. Bezirk (Village im 3.) ist für einen Wettbewerb im Entstehen. Der Gemeindebau wird auf einer ehemaligen Brache verwirklicht. Brown, die lange Zeit in der Nähe wohnte, begleitete bereits sein Entstehen fotografisch.
Modell: Käfer Amulett, 2025, Ausstellungsansicht Vom Heimweh befallen, träumt sie von Gehsteigen, Kunstraum Remise, Bludenz, 2025
Foto: Christa Engster
Ausgangspunkt Umgebung
Erkundungen ihrer näheren und weiteren Umgebung sind schon immer Ausgangspunkt von Cäcilia Browns Arbeiten. Dabei findet sie unterschiedliche Materialien, seien es Eisengestelle, die am Naschmarkt unbenutzt herumliegen (Drehfoyer, 2014), hölzerne Dachbalken aus abgebrochenen Dachböden (2014, 2018/19 und 2020) von Gründerzeithäusern oder Ton von einer U-Bahnbaustelle (Leichte Mädchen, 2020/21). Sie alle erzählen von der Geschichte ihres früheren Gebrauchs. Cäcilia Brown setzt die Materialien in einen bildhauerischen Kontext, analysiert ihre ästhetischen Qualitäten und experimentiert mit Verbindungsmöglichkeiten zwischen verschiedenen Materialien. Ganz zentral sind für Brown die historischen Hintergründe und gesellschaftlichen Strukturen, die in diese Fundstücke eingeschrieben sind. Lange Zeit war ihre Recherche auf die Stadt- und Bevölkerungsentwicklung von Wien fokussiert, seit sie auf dem Land südlich von Wien lebt, versucht sie auch dort, die Umgebung, die Menschen und deren Lebenswelt bzw. gesellschaftliche Strukturen, die sich in der Landschaft, der gebauten Umwelt und der Infrastruktur niederschlagen, zu verstehen.
Die Behörde, 2021, aus der Serie Leichte Mädchen, Ausstellungsansicht Landstreicherinnen, E-Werk Freiburg, 2021
Foto: Marc Doradzillo
2024 zeigte sie in ihrer Ausstellung im JesuitenFoyer in Wien, anlässlich des Otto-Mauer-Preises, mit dem sie im selben Jahr ausgezeichnet worden war, Skulpturen aus unterschiedlichen Werkgruppen im großen Ausstellungraum. Kleine Plastiken präsentierte sie jedoch auch in den hinteren Räumen, die einen Teil der Bibliothek und der Kunstsammlung Gustav Schörghofers beheimaten. Die kleinen Plastiken und Miniarbeiten spielten Verstecken mit den Betrachter:innen, es war manchmal schwer zu erkennen, ob die Objekte tatsächlich von Brown stammten, von einer anderen Künstlerin/einem anderen Künstler oder ob es zufällige beiläufige Zusammenstellungen von Gegenständen waren. Jedenfalls öffnete Browns Intervention die sonst für die Besucher:innen geschlossenen Räume. Die Arbeiten waren witzig, manchmal ironisch, manchmal waren es spitzfindige Kommentare und führten so die poetische Leichtigkeit vor Augen, die Cäcilia Browns Arbeiten, ob groß oder klein, kennzeichnen.
Bildhauerisch denken
Bildhauerisches denken, so formuliert es die Künstlerin selbst, durchdringt Cäcilia Browns künstlerisches Oeuvre. Von der Dokumentarfotografie herkommend, die sie schon in der Schulzeit praktizierte, studierte sie an der Akademie der bildenden Künste Wien bei Harun Farocki (Kunst und Film) und bei Monika Bonvicini Bildhauerei. Sie zählt zu einer Generation jüngerer in Wien lebender Bildhauer:innen, die vielfach an der Akademie der Bildenden Künste Wien ausgebildet sind. Dort wurde die Bildhauerschule von Fritz Wotruba und Bruno Gironcoli von Lehrenden wie Heimo Zobernig, Manfred Pernice, Monika Bonvicini und Nora Schultz fortgesetzt.
Ausstellungsansicht Ein Recht auf Unordnung, JesuitenFoyer, Wien 2024
Was sie an der Fotografie interessierte, nämlich Oberflächen, Materialitäten, Raum und die Geschichte dahinter, konnte sie in der Bildhauerei weiterentwickeln. Für Cäcilia Brown heißt „bildhauerisch denken“ die Auseinandersetzung mit dem eigenen Körper in Bezug auf die Materialien, mit deren Dimensionen und Volumina, Formen und Materialverbindungen sowie der Bewegung, zu der sie die Betrachtenden motiviert. Es geht dabei um den Raum, den die Skulptur einnimmt und zugleich herstellt und um den umgebenden Raum, sei es der Ausstellungsraum oder der öffentliche Raum, in dem die Skulptur schließlich permanent oder zeitlich begrenzt zu stehen kommt. Wesentlich dabei ist, wie die Arbeit mit dem Umgebungsraum kommuniziert, was diese mit dem Raum macht und wie sich Raum und Skulptur gegenseitig determinieren. Schwerkraft, Fliehkräfte, Balance und Materialbeschaffenheiten spielen dabei eine zentrale Rolle, ebenso wie der Dialog mit dem Publikum, sei es in der Galerie oder einer Ausstellung oder im öffentlichen Raum. In letzterem werden auch Menschen mit dem Kunstwerk konfrontiert, die mit der Auseinandersetzung mit zeitgenössischer Kunst nicht so vertraut sind. Es ist der Künstlerin dabei wichtig, dass auch diese eine Verbindung zu den Arbeiten herstellen können, dass diese deren Leben in der Stadt bereichern und vielleicht Denkanstöße geben.
Drehfoyer, 2014, Wir sind doch keine Räuber, wir sind ja nicht einmal Diebe, Galerie Senn, Wien 2014
Courtesy: Cäcilia Brown
Recycling
Recycling ist ein wichtiger Aspekt ihrer Arbeiten. Nachdem in der Stadt unendlich viele Gegenstände und Materialien frei verfügbar sind und Brown einer ökologischen Haltung verpflichtet ist, nimmt sie diese immer wieder als Ausgangsmaterial für ihre Skulpturen. So fiel der Künstlerin zum Beispiel auf, dass in der Zeit vor einer Gesetzesnovelle im Sommer 2018, die den Abriss von Gründerzeithäusern genehmigungspflichtig machte, viele Häuser zumindest halb demoliert wurden, um einem eventuellen Abrissverbot zuvorzukommen. Zeitgleich beobachtete sie, dass zahlreiche Dachbodenausbauten (Cäcilia Brown: „Wohlstandsdeckel“) im Gange waren. Daher waren es eine Zeitlang Dachbalken der abgerissenen Dächer, die die Künstlerin einige Jahre in ihren Skulpturen weiterverwendete, so zum Beispiel in Der Altmieter, 2018), aber auch bei den bereits erwähnten großen stehenden Skulpturen .Ein anderes Beispiel ist der Ton, der bei der Baustelle für die U5 in Wien in den letzten Jahren am Matzleinsdorfer Platz zu Tage kam. Dieser Ton als Material für die Ziegelproduktion spielt für die Entstehung der Großstadt Wien eine wesentliche Rolle. In den Ziegelfabriken am Wienerberg herrschten im 19. und Anfang 20. Jahrhundert für die Arbeiter:innen extrem schlechte Arbeitsbedingungen, deren Konsequenz die Stärkung der Arbeiterbewegung und der Sozialdemokratie war. Die Skulpturen, die mit diesem Ton entstanden sind, nehmen formal die Tonnenform der U-Bahntunnel auf, indem zum Beispiel größere leicht gebogene Tonplatten auf Eisengestelle eingebracht werden (Landstreicherinnen, 2021, aus der Serie Leichte Mädchen, 2020/21, wird fortgesetzt).
Titel
Die Titel der Arbeiten, die eine sprachliche Ebene einführen, machen bei Cäcilia Brown eine neue Dimension auf. So heißen die Arbeiten aus den großen gebogenen Tonarbeiten Hebamme, Die Gewerkschafterin oder eben Landstreicherinnen, diejenigen mit den großen Dachbalken zum Beispiel Lauter Spanner vorm Fenster, 2019, obdachlos und trotzdem sexy/Musterfliese Mondgesicht II, 2019 oder Der Altmieter, 2018. Die Künstlerin erklärt die Notwendigkeit der Titel für ihre Arbeiten so, dass diese sehr prozessual entstehen und Brown ab einem bestimmten Punkt die Materialien machen lässt, was diese machen wollen und sie sich in dieser Phase stark dem Prozess „ergibt“. Mit dem Titel der Arbeit gibt sie dieser wiederum eine Form, die auf die Ausgangsidee verweist und diese komprimiert. Die Titel machen ein Assoziationsfeld zu gesellschaftlich relevanten Themen auf, sie unterstreichen und verstärken die Poesie, die ihren Skulpturen innewohnt. Wenn man diese oft großen schweren und groben Skulpturen betrachtet, die mit dem Ton vom Matzleinsdorfer Platz gestaltet sind, fällt einem auch der Aspekt der Leichtigkeit auf. Wenn sie aber dann auch noch zur Serie der Leichten Mädchen gehören, also die Leichtigkeit im Titel tragen und zugleich auf das Thema Prostitution verweisen, entsteht ein Wahrnehmungs- und Denkraum, der für die Arbeiten von Cäcilia Brown so typisch ist.
Die Autorin dankt Cäcilia Brown für das informative und anregende Gespräch in ihrem Atelier am 12.08.2025, das die Basis für diesen Text darstellt, und für das zur Verfügung stellen der Fotos.